Ein enger Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, ist festgenommen worden. Dem 43-Jährigen wird vorgeworfen, seit Jahren im Auftrag der chinesischen Regierung in Deutschland spioniert zu haben. Vor allem soll er für Peking die in Deutschland ansässige Exilopposition überwacht haben, berichtet unter anderem die Zeit. Der Hinweis für die Festnahme soll vom Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen sein. Krah zeigte sich überrascht, führende Europaabgeordnete forderten Aufklärung, Vertreter der chinesischen Regierung sprachen von Verleumdung, und das EU-Parlament suspendierte den Beschuldigten.

"In Anbetracht der Schwere der Enthüllungen hat das Parlament die betreffende Person mit sofortiger Wirkung suspendiert", teilte eine Parlamentssprecherin in Straßburg mit. "Das Parlament wird mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten und entsprechende Folgemaßnahmen ergreifen."

Pikanterweise soll sich der Mann, der chinesische Wurzeln hat und seit einigen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, bereits vor zehn Jahren den deutschen Sicherheitsbehörden als Informant angeboten haben. Diese lehnten aber offenbar ab, weil er sich als glühender Unterstützer von Xi Jinping gegeben und für den Anschluss Taiwans an China ausgesprochen habe. Das machte die Behörden skeptisch, ob er nicht in einer Art Doppelrolle fungierte. Nicht zuletzt deshalb, weil er auch regierungskritische Organisationen unterstützt haben soll, was inhaltlich nicht stringent war.

Maximilian Krah steht auf Platz eins der AfD-Wahlliste für die Europawahl.
IMAGO/Rüdiger Wölk

Krah zeigt sich überrascht

Krah gibt an, den Mann einst durch seine Tätigkeit als Anwalt kennengelernt zu haben. Weil er sich als ausgewiesener Handelsfachmann erwiesen habe, habe er ihn später in sein Team aufgenommen. Spätestens als der in Dresden lebende Geschäftsmann dann aber als politischer Referent bei Krah in Brüssel tätig wurde und mit ihm gemeinsam nach China reiste, soll die Spionagetätigkeit im Sinne Chinas begonnen haben. Früher soll der Festgenommene SPD-Mitglied gewesen sein, mittlerweile sei er laut Krah aber der AfD beigetreten.

Krah teilte am Dienstagvormittag mit, aus der Presse von der Festnahme seines Mitarbeiters erfahren zu haben. "Weitere Informationen liegen mir nicht vor." Der Vorwurf Spionage für ein anderes Land sei "eine schwerwiegende Anschuldigung", erklärte Krah und fügte hinzu: "Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen." Der vorläufig festgenommene Mitarbeiter wird nun im Laufe des Tages dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt.

Rücktrittsaufforderungen

Politische Mitbewerber reagierten mit scharfer Kritik und Rücktrittsaufforderungen. "Es ist absolut indiskutabel, einen Spitzenkandidaten zu haben, der sich mit derartigen Vorwürfen auseinanderzusetzen hat", sagte CDU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei der "Rheinischen Post". FDP-Europaspitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte dem "Tagesspiegel" mit Blick auf Krah und seinen Fraktionskollegen Petr Bystron, dem bezahlte Desinformation für Russland vorgeworfen wird: "Beide müssten nach menschlichem Ermessen ihre Kandidatur niederlegen, statt unserem Land weiter zu schaden."

Aus der Bundesgeschäftsstelle der AfD hieß es am Dienstag: "Die Meldungen über die Verhaftung eines Mitarbeiters von Herrn Krah wegen Spionageverdachts sind sehr beunruhigend. Da uns derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Fall vorliegen, müssen wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten."

Die Organisation Lobbycontrol warf Krah Versäumnisse vor. "Der Spionageverdacht gegen seinen Mitarbeiter ist bereits seit 2023 bekannt, Krah zog damals keine Konsequenzen", erklärte Aurel Eschmann von Lobbycontrol am Dienstag. Damit habe Krah "nicht nur die Integrität der EU, sondern auch deren Sicherheitsinteressen gefährdet". Ein Sprecher Krahs wies diesen Vorwurf am Dienstag zurück.

AfD-Kritik von politischen Gegnern

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bezeichnete die Spionagevorwürfe als "äußerst schwerwiegend". "Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie", erklärte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin. Ebenso schwer wiege der Vorwurf der Ausspähung der chinesischen Opposition. "Wer einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, trägt dafür auch Verantwortung", betonte Faeser. Justizminister Marco Buschmann erklärte, es treffe "das Herz unserer Demokratie". Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, "müssen harte Konsequenzen folgen", forderte der FDP-Politiker.

Kritik an der AfD kam auch von den Grünen im Europaparlament, der FDP und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU).

In Österreich meldete sich die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer zu Wort: "Die rechtsextreme FPÖ ist in einen russischen Spionageskandal verwickelt, und die rechtsextreme deutsche AfD ist in einen chinesischen Spionageskandal verwickelt. Das zeigt: FPÖ und AfD sind offenbar bereit, ihr eigenes Land zu verraten – es geht ihnen ausschließlich um den eigenen Vorteil." FPÖ-EU-Delegationsleiters Harald Vilimsky äußerte sich am Dienstag auf Journalistenfragen in Straßburg über die Affäre zurückhaltend. Den Mitarbeiter Krahs "muss man sich natürlich anschauen", sagte er. Doch müsse man "das Auge auf alle Sümpfe legen", sagte er mit Blick auf EU-Korruptionsaffären wie jene rund um die Impfstoffbeschaffung oder die griechische Sozialistin Eva Kaili.

Das chinesische Außenministerium wies die Vorwürfe scharf zurück. Sie dienten dazu, "China zu verleumden und zu unterdrücken", erklärte der Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag. Es gehe darum, "die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören". China habe sich "immer an das Prinzip des gegenseitigen Respekts und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der anderen gehalten", sagte Wang weiter. "Wir hoffen, dass die zuständigen Mitarbeiter in Deutschland ihre Mentalität des Kalten Krieges aufgeben und die sogenannte Spionagebedrohung nicht mehr für politische Manipulationen gegen China nutzen."

Die aktuelle Festnahme steht in keinem direkten Zusammenhang mit einem anderen Fall, der am Vortag bekannt geworden war. In Deutschland wurden am Montag drei andere Männer wegen des Verdachts auf Spionage festgenommen. (mesc, faso, jop, 23.4.2024)