Das Bild zeigt den Volkswagen ID.7 Vizzion auf der Auto Shanghai Show 2023.
Mehr als nur schauen: Mehr als 19.000 sensible Daten und nicht zuletzt auch Admin-Rechte sollen entwendet worden sein.
AP

Der Volkswagen-Konzern, einer der größten Autohersteller der Welt, wurde über einen längeren Zeitraum hinweg zur Zielscheibe von Cyberattacken, die vermutlich von chinesischen Staatsakteuren ausgeführt wurden. Dies ergibt sich aus einer Vielzahl interner Dokumente, die von "Spiegel" und ZDF eingesehen wurden. Die Angriffe, die bereits 2010 begannen, erreichten ihren Höhepunkt zwischen 2011 und 2014, wobei die Angreifer nicht nur Zugriff auf Zehntausende von Dateien erlangten, sondern auch weitreichende Administratorenrechte innerhalb des VW-Netzwerks.

Die Ziele dieser umfangreichen Spionageaktionen waren hochsensibel: Entwicklungen im Bereich der Ottomotoren, Getriebe und Doppelkupplungsgetriebe standen im Fokus, ebenso wie fortschrittliche Technologien für Elektromobilität und Brennstoffzellen. Dies deutet darauf hin, dass die Hacker gezielt technologisches Wissen abgriffen, das für die Weiterentwicklung der Automobilindustrie in China von Bedeutung sein könnte. Die Attacken betrafen neben Volkswagen auch dessen Schwestermarken Audi und Bentley, was die Tragweite des Vorfalls unterstreicht.

Klare Hinweise

Die technischen Aspekte der Cyberangriffe sind bezeichnend für staatlich gesponserte Hackeraktivitäten. Verwendet wurden unter anderem die Spionagesoftware-Tools "PlugX" und "China Chopper", die typischerweise von chinesischen Hackern eingesetzt werden. Diese ermöglichten den unbemerkten Zugriff auf das Netzwerk und dessen Ressourcen, bis ein Fehler der Hacker im Jahr 2014 zu ungewöhnlich hohen Systemlasten führte, was letztlich ihre Entdeckung durch VW-Techniker nach sich zog.

In einer großangelegten Gegenaktion mobilisierte Volkswagen eine Taskforce, um das Netzwerk zu sichern und die Spuren der Hacker zu beseitigen. Dieses Krisenmanagement, das über ein Wochenende lief und währenddessen Teile des Netzwerks heruntergefahren wurden, zeigt das Ausmaß der Bedrohung und den Ernst der Lage. Es galt damals, rückwirkend betrachtet, als eine der größten Aktionen dieser Art: Aus Unterlagen ginge hervor, dass Microsoft, ebenfalls in den Fall involviert, zuvor noch nie so viele Systeme auf einmal neu aufsetzen habe müssen.

Die Reaktion von Volkswagen auf die Angriffe dürfte auch eine strategische Verschiebung innerhalb des Unternehmens markiert haben, das nun verstärkt auf Cybersicherheit setzt. Der Vorfall und die Notwendigkeit, sich gegen solche Bedrohungen zu wappnen, hat nicht nur zu einer Überarbeitung der IT-Infrastruktur geführt, sondern soll auch eine neue Kultur der Wachsamkeit und fortlaufenden Verbesserung der Sicherheitssysteme etabliert haben. Die Investitionen in Sicherheitstechnologien und das Training von Mitarbeitern sind Teil eines umfassenderen Plans, um zukünftige Angriffe zu verhindern und das Unternehmen resilienter gegenüber Cyberbedrohungen zu machen.

Getrübte Beziehungen

Trotz der schwerwiegenden Sicherheitsverletzungen und des Verdachts auf chinesische Urheberschaft äußerte sich Volkswagen zurückhaltend zu den möglichen Tätern und betonte, die Sicherheitsvorkehrungen im Nachgang deutlich verstärkt zu haben. Die chinesische Botschaft in Berlin wies alle Anschuldigungen zurück und kritisierte die Vorwürfe als von den USA und anderen westlichen Ländern verbreitete Gerüchte. Die finanziellen und technologischen Auswirkungen des Datendiebstahls bleiben erheblich, wobei der Gesamtschaden nur schwierig zu beziffern ist. Volkswagen musste in Folge des Angriffs alleine Millionen in die Sicherheit seiner IT-Infrastruktur investieren.

Die Kooperation zwischen Volkswagen und China, die einst auf gegenseitigem Vertrauen und Verständnis basierte, wie es der damalige VW-Boss Martin Winterkorn betonte, dürfte durch diese Cyberangriffe jedenfalls einen deutlichen Dämpfer erlitten haben. Es wäre zumindest naheliegend, dass die jahrzehntelange Partnerschaft seit längerem durch Misstrauen in der Beziehung getrübt wird. Die Spannungen sind besonders deshalb problematisch, da China als einer der größten und wichtigsten Automärkte der Welt gilt. Ein Markt, in dem VW – auch mit exklusiven Modellen stark investiert hat und eigentlich weiterhin plant zu wachsen. (bbr, 22.4.2024)