Eine Familie auf dem Weg zur Gemeinderatswahl in Innsbruck.
Bei Gemeinderatswahlen stehen oft nur oder deutlich mehr Männer zur Auswahl.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

Sobald man das Haus verlässt, ist man im Amt. Das wurde beim dritten Vernetzungstreffen der österreichischen Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen in der Wiener Hofburg mehrfach festgestellt. Organisiert wurde das Treffen vom Österreichischen Gemeindebund. Wie es ist, wie es früher war und wo sich die Kommunalpolitik hinentwickeln sollte, das diskutierten die 116 Teilnehmerinnen der Tagung.

"Ewiges Herumsitzen" in ineffizienten Sitzungen, hört man von vielen Frauen auf die Frage, warum sie denn nicht in den Gemeinderat wollen. Ein Ergebnis davon: kaum Bürgermeisterinnen und noch weniger weibliche Doppelspitzen in den Gemeinden. Eine Frau Bürgermeisterin und eine Frau Vizebürgermeisterin gibt es nur in 14 Gemeinden in Österreich (0,7 Prozent).

In der Bundespolitik gibt es immerhin 47 Prozent Frauen, weniger werden es schon auf der Landesebene mit 38 Prozent. Es liege noch ein "weiter Weg vor uns", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in seinem Statement am Beginn der Tagung. Schirmherrin der Veranstaltung ist Doris Schmidauer, die große und radikale Veränderungen für notwendig hält, um mehr Frauen in der Kommunalpolitik zu bekommen. Ihr Mann, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, betonte, dass durch die niedrige Repräsentation von Frauen "Talente verlorengehen". Und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) wusste von erstaunlichen Reaktionen zu berichten, wenn das Gegenüber erfährt, dass eine Vollzeitpolitikerin vor ihm steht: "Und wer ist bei Ihrem Mann daheim?"

Schon genug?

Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle präsentierte bei der Tagung die geschlechterspezifischen Aspekte einer aktuellen Umfrage zu Herausforderungen und Nachwuchsförderungen (DER STANDARD berichtete) in der Kommunalpolitik. Neben den generellen Hürden, Menschen für diese zu begeistern, zeigen sich unterschiedliche Störfaktoren für Frauen und Männer. So stoßen sich wenig überraschend Männer weniger an der von Männern und für männliche Erwerbsbiografien gemachten Sitzungskultur. Diese und auch männlich geprägte Parteistrukturen machen Kommunalpolitik für Frauen allerdings unattraktiv. Für Männer ist das auch weniger ein Problem als für Frauen, zeigte die Umfrage: 52 Prozent der Männer beantworteten die Frage, ob es bereits ausreichend Frauen im Gemeinderat gebe, mit "Ja". Bei den Frauen waren es nur 34,3 Prozent.

Margit Göll, Doris Schmidauer, Moderatorin Hanelore Veit, Andrea Kaufmann und Susanne Hoyer (von links).
Margit Göll, Doris Schmidauer, Moderatorin Hannelore Veit, Andrea Kaufmann und Susanne Hoyer, Bürgermeisterin in Langenbach, Oberbayern (von links nach rechts).
Peter Lechner/HBF

Andrea Kaufmann (ÖVP) hebt hingegen einen Pluspunkt an dem Job hervor, der insbesondere für Frauen womöglich ein Tabu ist: Macht. Kaufmann ist seit 2013 Bürgermeisterin der Stadt Dornbirn und betont die Möglichkeit des Mitgestaltens in diesem Amt. Etwas zu verändern, das war auch der Anstoß für Margit Göll (ÖVP). Sie ist heute Präsidentin des Bundesrates und Bürgermeisterin von Moorbad Harbach in Niederösterreich. Bei ihr war es ein Kommunalpolitiker, der ihr vor vielen Jahren seine bescheidene Vision für den Ort erklärte und sie so motivierte, in die Politik zu gehen. "30 Jahre war es gut so, jetzt werden wir es in den nächsten 30 Jahren auch nicht mehr ändern", sagte er. Doch, dachte sich Göll.

Alles andere als helfen würde auch das generelle Misstrauen gegenüber Politiker:innen, das die anwesenden Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen, mit vorwiegender ÖVP-Parteizugehörigkeit, beklagten. Sie sehen hier mediale Fokussierung auf Skandale, und es werde zu wenig über positive Beispiele und Politiker:innen abseits der großen Bühnen berichtet.

Blick zurück

Helga Lukoschat, Politologin und Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin, bot einen Blick nach Deutschland. Besser steht man dort mit einem Bürgermeister:innen-Anteil von 9,8 Prozent auch nicht da. Die Gründe für die Unterrepräsentanz sind dieselben wie in Österreich: Politik ist familienunfreundlich, es fehlt den Frauen an Zeit für aufwendige Netzwerkarbeit, oder der vorherrschende Sexismus wirkt abschreckend, etwa in Form von unterschiedlichen Standards für Frauen und Männer. Gezielte Programme wie Netzwerke für Bürgermeisterinnen können helfen, sagt Lukoschat.

Und Frauen in politischen Ämtern können als Vorbilder ebenfalls viel bewirken. Eine Studie zeigte 2023, dass sich junge Frauen eher für Politik interessieren, wenn diese von Frauen gestaltet wird.

Vorbild sein

Für Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen bei der EU-Wahl, sei das letztlich der Grund gewesen, in die Politik zu wollen, sagt sie. Eine Schülerin bat sie, die Kandidatur für die Grünen doch zu übernehmen, weil ihre klimapolitischen Anliegen eine junge Frau vertreten solle. Das sei laut Schilling schlussendlich der Anstoß für ihre Kandidatur gewesen, erzählt Schilling bei einer der Podiumsdiskussionen.

Dass sich trotz der enormen Männerdominanz in der Kommunalpolitik etwas tut, zeigte ein Blick in die Vergangenheit. Sonja Ottenbacher (ÖVP) war zwischen 2004 und 2024 Bürgermeisterin von Stuhlfelden in Salzburg und erinnerte sich an die Anekdote einer Amtskollegin aus Osttirol. Für eine Bürgermeisterin wollten die Schützen vor etwa 20 Jahren noch nicht schießen und taten dies auch unverhohlen kund: "Für a Weibsche schiaß ma nit." (Beate Hausbichler, 15.4.2024)