Rowland S. Howard (li.) versteckte sich noch in der zweiten Reihe, als er längst Frontmann war. Seine Alben mit der Band These Immortal Souls wurden eben neu aufgelegt.
Rowland S. Howard (li. o.) versteckte sich noch in der zweiten Reihe, als er längst Frontmann war. Seine Alben mit der Band These Immortal Souls wurden eben neu aufgelegt.
Mute Records

Rowland S. Howard stand auf dem Abstellgleis. Ausgemacht war das nicht. Gerade noch spielte er in einer der berüchtigtsten Bands des Planeten, plötzlich sollte er beim australischen Arbeitsmarktservice einchecken? Sicher nicht.

These Immortal Souls - Topic

Rowland Stuart Howard verbrachte die späten 1970er-Jahre an der Seite von Nick Cave. Zuerst in der Band The Boys Next Door, später in der Birthday Party, deren selbstzerstörerischen Ritt von Australien nach England Howard als Gitarrist begleitet hatte. Sein originelles Instinktspiel besorgte dem Blues-Punk dieser Party den Funkenflug: gleißende Riffs, die die existenzielle Schräglage des Unternehmens unterstrichen.

Doch als Cave sich 1983/84 umorientierte und eine Solokarriere mit den Bad Seeds einschlug, zeichnete sich schnell ab, dass dort für das dominante Spiel Howards kein Platz sein würde. Der hagere Mann im Predigeranzug, mit der Hakennase und den Segelohren schmollte und heuerte bei den artverwandten Kollegen von Crime and the City Solution an. Wie Cave spielten Crime eine den US-amerikanischen Südstaaten-Mythen verpflichtete Musik, die hüfthoch im Blues-Gefühl watete. Doch auch dieser Gig war nicht von Dauer.

Sündhafte Beträge

1987 gründete Howard mit seiner Freundin und zwei bei Crime entliehenen Mitstreitern sein eigenes Unternehmen: These Immortal Souls. Das waren neben ihm Genevieve McGuckin, sein Bruder Harry Howard und Kevin Godfrey, der sich Epic Soundtracks nannte. Nur zwei Alben lang gab es die Band, beide Werke sind lange vergriffen, für das finale I’m Never Gonna Die Again zahlte man lange Zeit sündhafte Beträge. Aber damit ist jetzt Schluss.

These Immortal Souls - Topic

Mute Records, über Jahrzehnte eine Heimat in der Fremde für Nick Cave und seinen australischen Freundeskreis, hat eben die Alben Get Lost (Don’t Lie) und I’m Never Gonna Die Again remastert und neu aufgelegt. Hinzu kommt ein drittes mit bislang unveröffentlichten Songs und Live-Mitschnitten namens Extra.

Damit widerfährt einem Mann ein wenig Gerechtigkeit, der zwar schon zu Lebzeiten im Ruf einer Legende stand, der daraus wesensbedingt wenig Vorteil ziehen konnte. Im Alter von 50 Jahren ist er 2009 in Australien nach dem Comebackalbum Pop Crimes an einer Lebererkrankung gestorben. Er hatte dem Organ zu viele Gifte zugemutet.

Schmerzensmann-Klischee

Dazu kam, dass Howard kein sehr organisierter Typ war. Er war nicht der schnellste Songschreiber und niemand, dem man besonderen Ehrgeiz nachsagen würde. Das sagte sein Freund und Mitmusiker Mick Harvey in einem Interview mit dem Standard. Selbst seine Arbeiten mit These Immortal Souls belegen das auf eine seltsame Art.

Zwar gab er da den Frontmann. Und ob seiner Erscheinung schien er dazu wie geschaffen: Eine wirre Polsterfrisur, stets eine Tschick im Mundwinkel, den Oberkörper über die Gitarre gebeugt, gab er das Klischees des vom Rock-’n’-Roll-Lifestyle gezeichneten Schmerzensmannes. Seine wenig ausgebildete Eitelkeit verlieh ihm als Frontmann eine eigene Aura und besorgte der Musik einen eigenen Charme.

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Sein Vortrag war nicht predigend und bestimmt, wie es der von Cave im Verlauf seiner Karriere werden sollte. Howards Stil schien stets von einem gewissen Widerwillen geplagt zu sein, wenn er im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Dabei konnte er euphorische Musik spielen, wie der Opener von Get Lost (Don’t Lie) belegt: Marry Me (Lie! Lie!), dem seine Herzdame vom Klavier aus Anmut und Dynamik gab. Schließlich wohnt dem Gothic die Romantik inne, und beidem stand Howard, abseits gängiger Gruftie-Klischees, merklich nahe.

These Immortal Souls spielten eine balladeskere Version des zerschossenen Blues-Punk der Birthday Party. Der 1997 verstorbene Kevin Godfrey trommelt in Blood and Sand She Said basslastige Dschungelbeats, während Howard seine Stahlsaiten in den rot-glühenden Bereich überführt.

Fünf Jahre Pause

Das Publikum, das damals Cave hörte, war dasselbe, an das sich die Musik von These Immortal Souls richtete. Dennoch hob die Band nicht ab. Howards Suchtkrankheit und sein beschriebenes, zur Apathie neigendes Wesen ließen fünf Jahre verstreichen, bis die Band nachlegte. Der Titel I’m Never Gonna Die Again spiegelte, wo Howard sich in diesen Jahren verloren haben mag, doch der behauptete Überlebenswille hielt nicht lange.

An Qualität mangelte es seiner Musik nie, doch im Irrsinn der frühen 1990er ging die Gruppe einfach unter. Selbst ein 1991 veröffentlichtes Album mit Lydia Lunch – einem Postergirl des Postpunk – schaffte das nicht. Howard verkroch sich, wurde zum Mythos, der sich bestätigte, wenn er sich aufraffen konnte und etwas veröffentlichte.

Die Wiederauflagen machen die zu wenig wahrgenommene Brillanz von These Immortal Souls nun erfahrbar. Und im Mai folgen Wiederveröffentlichungen vergriffener Alben von Crime and the City Solution. An denen war Howard maßgeblich beteiligt. Damit wären letztlich all seine Werke wieder zugänglich gemacht. Ohren auf! (Karl Fluch, 15.4.2024)