"Nehmen und Geben" ist ein integraler Bestandteil unserer Wirtschaftspolitik. Der typische Österreicher, die typische Österreicherin zahlt unaufgeregt Steuern und Abgaben. Vermutlich, weil vieles noch gut funktioniert. Im Gegenzug werden von der Politik auch Um- und Rückverteilungsaktionen erwartet. Diese politischen Gaben reichen dann meist in den oberen Mittelstand hinein. Am Ende ist es oft mehr ein "Rück" als ein "Um". So wohnen die Bezieherinnen und Bezieher des Klimatickets und der Bildungskarenz eher im hippen Neubau als im migrantisch geprägten Favoriten. Es ist dann ein bisschen wie zu Weihnachten, wenn die Kinder den Eltern von ihrem Taschengeld etwas kaufen.

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Wie effizient gibt der Staat sein Geld aus?
Illustration: Getty Images/iStockphoto

Die modernen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind im Laufe der Wahljahre anspruchsvoller geworden und erwarten antragslose Überweisungen auf das eigene Girokonto. Wenn im Verwendungszweck etwas mit "Klima" steht, stellt sich vielleicht auch ein "Warm glow"-Moment ein, obwohl die Erde dadurch nicht kühler geworden ist. Wenn statt der Überweisung auf das Konto wider Erwarten Sodexo-Gutscheine im Postkasten landen, ist Unmut möglich. Man fotografiert das falsche "Klimapapier" und empört sich im Internet über die "schwindliche" Verwaltung.

"Offenbar verzeihen viele Österreicherinnen und Österreicher dem Finanzminister den tiefen Griff in den linken Hosensack, wenn zumindest ein Teil davon wieder im rechten Hosensack landet."

Wenn die Rückverteilung ohnehin als Gutschein angekündigt wird, dann ist das aber okay. Weniger flüssig und politisch nicht ganz so korrekt, aber auch ein roter Bürgermeister kann mit einem "Schnitzelgutschein" etwas für die Leitkultur tun. Das angelsächsische "welfare stigma" scheint weniger bekannt zu sein. Das vom Staat bezahlte Schnitzel kann man jedenfalls twittern und patriotisch mit dem Hashtag "Wien Liebe" versehen.

Offenbar verzeihen viele Österreicherinnen und Österreicher dem Finanzminister den tiefen Griff in den linken Hosensack, wenn zumindest ein Teil davon wieder im rechten Hosensack landet. Die aus ökonomischer Sicht relevante Frage – wie effizient wird die Differenz von der öffentlichen Hand genutzt – findet oft weniger Beachtung. Politik misst sich hierzulande nicht am Output, sondern am Input. Sie ist stolz darauf, viel Geld ausgegeben zu haben. Dafür werden sogar eigene GmbHs gegründet.

Unterschiedliche Verteilungspräferenzen

Die "großen" Parteien haben unterschiedliche Verteilungspräferenzen. Sie favorisieren unterschiedliche Hosensäcke. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Die SPÖ macht keinen Hehl daraus, dass sie einen großen Staat bevorzugt. Die ÖVP bestreitet das gerne, aber die Zahlen sprechen eindeutig dagegen. Die Grünen lieben auch den Leviathan. Aber sie glauben, ihn moralisch rechtfertigen zu können. Die FPÖ ist auch nicht abgeneigt – hat aber spezielle Motive. Etatismus war vielleicht der kleinste gemeinsame Nenner in so mancher Regierungsverhandlung.

Die Neos sind die einzige Partei, die sich in einem für heimische Verhältnisse denkbaren Ausmaß für einen schlankeren Staat einsetzt. Wohlgemerkt bisher aus der Opposition heraus. So überrascht es, dass Parteichefin Beate Meinl-Reisinger kürzlich mit einem Vorschlag für eine üppige Um- oder Rückverteilung aufhorchen ließ. Jeder Bürger und jede Bürgerin soll zum 18. Geburtstag 25.000 Euro vom Staat erhalten.

Neos Meinl-Reisinger Grunderbe 25.000 Euro
Schlägt ein Grunderbe vor: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.
Foto: Reuters / Julia Geiter

Der Vorschlag, der als "Grunderbe für alle" interpretiert werden kann, enthält Details, die auch mit dem Strolz'schen "Flügel heben" vereinbar scheinen. Meinl-Reisinger schlägt vor, das Geld auf einem "Chancenkonto" zu parken und nur für bestimmte Zwecke – Ausbildung oder Wohnungskauf – freizugeben. Diese Zweckbindung ist zwar eindeutig paternalistisch und nicht liberal, erscheint aber pragmatisch sinnvoll. Die Stoßrichtung der Umverteilung von "Alt" zu "Jung" entspricht wohl auch dem Selbstverständnis der Partei und ist auf die Erzielung ökonomischer Renditen ausgerichtet.

Es ist verständlich, dass man politische Visionen lieber ohne die Niederungen der bürokratischen Umsetzung präsentiert. Als Kenner der österreichischen Bürokratie fürchtet man aber Randlösungen. Die Auszahlungen aus dem Chancenkonto könnten entweder zu lax oder nur kafkaesk erfolgen. Weiters stellt sich die Frage, wie hoch der bürokratische Aufwand einer geplanten sinnvollen inneren Lösung wäre. Fairerweise muss angemerkt werden, dass auch die aktuellen Vorschläge der politischen Konkurrenz nicht sehr detailliert sind.

Gegen Erbschaftssteuer

Offen bleibt die Frage, ob es sich beim "Erbe für alle" eher um eine Um- oder eine Rückverteilung handelt. In den Medien war zu lesen, dass es denkbar sei, dass man das Geld zurückzahlt, wenn man später privat erbt. Ist das ein Detail, das man situativ in einer Regierungsverhandlung entscheidet? Politisch-strategisch mag das sinnvoll sein. Für eine ökonomische Bewertung der Maßnahme ist dies aber zentral. Sowohl für die Verteilungswirkung als auch für den zu erwartenden bürokratischen Aufwand ist dieses "Detail" entscheidend.

Meinl-Reisinger spricht sich in diesem Zusammenhang dezidiert gegen eine Erbschaftssteuer aus. Aus der Sicht eines andersdenkenden Koalitionspartners mag die Option einer Rückzahlungsverpflichtung des öffentlichen Erbes im Fall einer privaten Erbschaft als "aufgelegter Elfer" für die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer erscheinen.

Einsparungen anderswo

Lobenswert ist, dass der Vorschlag auch eine Gegenfinanzierung vorsieht. Allerdings ist dies wohl der Aspekt, der vielen Ökonominnen und Ökonomen wie Wählerinnen und Wählern, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, sauer aufstößt. Das "Erbe für alle" soll durch eine Anhebung des Pensionsantrittsalters finanziert werden. Aus ökonomischer Sicht ist eine Anhebung des gesetzlichen und vor allem des faktischen Pensionsantrittsalters zu begrüßen. Die zusätzlichen Beiträge sollten jedoch strikt im Pensionssystem verbleiben. Weitere Um- und Rückverteilungen sollten durch Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden. (Martin Halla, 15.4.2024)