"Bis 450 war das Sammeln einfach, jetzt wird es langsam kompliziert", sagt Vicente Todoli, der Direktor der Tate Modern in London gewesen ist und seine ganze Sammelleidenschaft jetzt auf Zitrusfrüchte konzentriert. 482 verschiedene Sorten hat er bereits hinterm Haus: auf der Plantage seiner Eltern und Großeltern in Palmera im unmittelbaren Hinterland der spanischen Costa Blanca. Dort lebt er jetzt, kauft Grundstück um Grundstück hinzu, hat die Plantage nach und nach auf nun 60.000 Quadratmeter erweitert, eine Stiftung gegründet, lädt Spitzenköche ein, um hier neue Rezepte mit seinen Früchten auszuprobieren – und lässt sich in diesem Garten Eden mit Zitronenduft inzwischen jeden Samstag besuchen, dann ist diese Oase für Besucher geöffnet.

Zu den unbekannteren seiner Sorten gehört die Kaviar-Limette, die längliche braune Frucht eines oft eher flachen stacheligen Strauches, die wie eine kurze Knackwurst aussieht und gefüllt ist mit so etwas wie Fruchtfleischperlen voller Saft, die man herauslöffeln oder mit der Pinzette entnehmen und einzeln mit leichtem Druck auf der Zunge zum Platzen bringen kann. Wissenschaftlich heißt sie Microcitrus Australasia, schon das Probieren ist ein Erlebnis.

Ein große gelbe Zitrusfrucht
Mehr als 480 verschiedene Sorten baut Vicente Todoli im Garten der vergessenen Zitrusfrüchte in Palmera an
Helge Sobik

Persönlicher Favorit des Retters der vergessenen Zitrusfrüchte aber ist eine große, fast skulpturale Frucht mit unregelmäßiger Oberfläche, als wäre es die von Meteoriteneinschlägen geformte gelbe Landschaft eines fremden Planeten. Citrus Medica heißt sie offiziell, Zitronatzitrone wird sie bei uns genannt. Und kurios ist, dass man absolut alles mitessen kann: die Schale, das knorpelige und sonst so bittere Weiß, einfach alles: "Geruch, Geschmack, Ästhetik der Frucht, da passt für mich alles. Und aktuell wird sogar daran geforscht, ob diese Frucht eine antitumoröse Wirkung beim Menschen hat."

Ein in durchsichtigen Stoff eingehüllter Orangestrauch
Wie von Christo verpackt: Orangenbäume auf Vicente Todolis "Sammler-Plantage"
Helge Sobik

Wie viele Sorten es tatsächlich rund um den Globus gibt, weiß derweil niemand ganz genau. Zitrusfrüchte sind außerordentlich mutationsfreudig, es entstehen ständig neue Varianten. Manche Bäume hat Todoli in silbergraue Stoffe verpacken lassen, als wäre Christo am Werk gewesen. Und wenn jener Vorhang gelüftet wird, hat der Baum sich neu inszeniert, trägt Blüten oder hat bereits Früchte entwickelt. Und es duftet so intensiv, als wäre in einer Parfumerie ein Regal umgefallen und mehr als ein Flakon zu Bruch gegangen. "Das hier ist meine Welt, hier komme ich her", sagt er. Was für ein Glück, dass er sie neu erschaffen hat. (Helge Sobik, 15.4.2024)