Zugegeben: Von "Weimarer Verhältnissen" ist Deutschland trotz der jüngsten Attacken auf Politiker und Politikerinnen von SPD und Grünen noch weit entfernt. In der Zwischenkriegszeit schossen Links- und Rechtsradikale die Demokratie so lange sturmreif, bis der Boden für die NSDAP bereitet war. Heute ist das Land aber eine gefestigte Demokratie ohne Massenarbeitslosigkeit und Parteimilizen.

Und doch tut die Politik gut daran, den Anfängen zu wehren. Es mag nach Anlassgesetzgebung riechen, wenn Innenministerin Nancy Faeser nun das Strafrecht verschärfen will, um politisch motivierten Angriffen beizukommen – doch eine andere Waffe hat der Rechtsstaat nicht. Wenn er die Gewalt nicht verhindern kann, muss er sie wenigstens hart ahnden.

Solidarität mit dem angegriffenen SPD-Politiker Matthias Ecke auf einer Demonstration in Berlin.
EPA/CLEMENS BILAN

Schon deshalb, weil sich sonst bald niemand mehr das mühsame politische Geschäft antun wollen wird. Anders als etwa die Ministerin halten Lokalpolitikerinnen wie die in Dresden angegriffene Grüne nämlich – mitunter wortwörtlich – ihren Kopf hin, ohne dass ein Personenschutz dazwischengeht, wenn Gefahr oder Ungemach droht. Lässt der Rechtsstaat sie im Stich, wird die Kluft zwischen Politik und Volk nur größer.

Das gilt nicht nur für links. Auch AfD-Politiker, so verwerflich und dumm ihre Standpunkte auch sein mögen, müssen Wahlkampf betreiben können, ohne Angst um ihre Gesundheit haben zu müssen. Zuletzt wurden am Donnerstag zwei AfD-Politiker vor dem Landtag in Stuttgart angegriffen und verletzt. Wehtun sollten ihnen nur bessere Argumente – nicht aber Schläge und Tritte. (Florian Niederndorfer, 9.5.2024)