Vösendorfs Bürgermeister Hannes Koza kommt aus dem Feiern kaum heraus. Bei der Gemeinderatswahl am Sonntag erlangte seine Volkspartei die absolute Mandatsmehrheit, von den am Montag ausgezählten Vorzugsstimmen entfielen 1385 auf ihn. Und das alles nach äußerst turbulenten Monaten – eine von ihm gefälschte Rechnung brachte den Bürgermeister schwer unter Druck, er rettete sich in Neuwahlen.

Im Interview mit dem STANDARD erklärt Koza, wie es zum vernichtenden Bericht der Gemeindeaufsicht kam, wo er nun (nicht) sparen will – und warum er sich mit der niederösterreichischen Volkspartei so überworfen hat, dass er alle Funktionen außerhalb Vösendorfs zurücklegt.

Hannes Koza im Schloss Vösendorf
Hannes Koza bleibt auf absehbare Zeit Vösendorfs Bürgermeister.
Heribert Corn

STANDARD: Glauben Sie, dass jetzt auch andere Bürgermeister anfangen werden, Rechnungen zu fälschen? So etwas scheint ja im Wahlkampf sehr hilfreich zu sein.

Koza: Das glaube ich nicht, nein.

STANDARD: Gibt es Straftaten, die einen Bürgermeister aus Ihrer Sicht für das Amt disqualifizieren?

Koza: Das habe ich mir noch nicht überlegt. Es gibt klare rechtliche Bestimmungen, wann man sein Amt verliert. Die werden ihren Grund haben.

STANDARD: Wie erklären Sie jemandem außerhalb von Vösendorf, dass Sie nach so einem Skandal eine Neuwahl vom Zaun brechen und dann die Absolute einfahren?

Koza: Ich weiß, was ich gemacht habe, und bin mir meines Standings in der Bevölkerung bewusst. Das war der Grund, warum ich Neuwahlen ausgelöst habe.

"Die schlechte Arbeit hängt nicht an mir, es wurde ja offenbar immer schon schlecht gearbeitet …"

STANDARD: Worauf fußt dieses Standing?

Koza: Darauf, dass ich gut für Vösendorf und jeden Bürger hier arbeite. Ich unterscheide nicht, ob das ein Kleinkind oder ein Pensionist, ob das ein Schichtarbeiter oder ein Universitätsprofessor ist. Ich bin für alle gleichermaßen da.

STANDARD: Dass Sie gut gearbeitet haben, zieht die Gemeindeaufsicht in Zweifel, die in ihrem Prüfbericht einiges zu bemängeln hatte. Ist den Leuten nicht aufgefallen, wie schlecht Vösendorf verwaltet wurde – oder war es ihnen bei der Wahl egal?

Koza: Die schlechte Arbeit hängt nicht an mir, es wurde ja offenbar immer schon schlecht gearbeitet …

STANDARD: Sie waren jetzt vier Jahre lang Bürgermeister.

Koza: Das sind alles klassische Verwaltungsfehler. Klar übernehme ich die Verantwortung, ich bin der Chef. Aber es wird wohl auch jedem klar sein, dass in einer Gemeinde mit 150 Mitarbeitern der Bürgermeister nicht selbst Rechnungen scannt und ins System einspielt. Wir werden diese verwaltungstechnischen Schlampereien jetzt aufarbeiten. Im Prüfbericht stehen nur die negativen Dinge. Es ist halt der Sinn der Prüfung, Mängel aufzuzeigen.

STANDARD: Der Bericht der Gemeindeaufsicht listet auf 169 Seiten etliche Probleme auf. Wenn eine Gemeinde so schlecht organisiert ist, wo fängt man da mit dem Aufräumen an?

Koza: Es wird einige Veränderungen in der Verwaltung geben müssen. Da gibt es schon einige Ideen, aber die will ich jetzt noch nicht bekanntgeben.

Hannes Koza
"Für mich war das ein Freispruch", sagt Hannes Koza zum kritischen Bericht der Gemeindeaufsicht.
Heribert Corn

STANDARD: Sie haben den Bericht als politischen Freispruch genutzt, weil dort kein "Griff in die Gemeindekasse" festgestellt wurde. Aber die Prüfer schreiben selbst, dass sie die Verwaltung nur stichprobenhaft untersucht haben.

Koza: So klein war die Stichprobe nicht. Ich bleibe dabei, für mich war das ein Freispruch.

"Ich habe vor dem Prüfbericht nicht gewusst, dass ich diese Rechnungen nicht freigeben darf."

STANDARD: Die Gemeindeaufsicht hat aber sehr wohl Rechnungen Ihres eigenen Heurigen gefunden, die Sie als Bürgermeister unterschrieben haben, obwohl das verboten ist.

Koza: Ich verlasse mich darauf, dass die Verwaltung ordentlich arbeitet. Ich gebe jede Woche hunderte Rechnungen frei. Wenn mir die Verwaltung diese Rechnungen in meinen Ordner einspielt und das vorher schon drei Leute kontrolliert haben, dann klicke ich einfach drauf.

STANDARD: Ungelesen?

Koza: Ich überfliege das. Drei Menschen haben es vor mir angeschaut.

STANDARD: Aber dass das die Rechnung Ihrer eigenen Firma ist, wird Ihnen ja aufgefallen sein.

Koza: Schon. Aber ganz ehrlich: Ich habe vor dem Prüfbericht nicht gewusst, dass ich diese Rechnungen nicht freigeben darf.

STANDARD: Das Land hat ebenfalls festgestellt, dass Vösendorf unter Ihnen weit über seine Verhältnisse gelebt hat. Sie haben die Gemeinde in einer ohnehin schwierigen Situation übernommen, warum haben Sie nicht besser aufs Geld geschaut?

Koza: Wir haben sehr wohl aufs Geld geschaut, Personal eingespart und viele Aufträge ausgeschrieben. Wir mussten aber auch die Infrastruktur sanieren: Die Straßen brechen ein, die Kanäle brechen ein, die Fahrzeuge sind alt – das mussten wir alles aufholen. Und durch Corona sind Einnahmen weggebrochen, dann die Teuerung, hohe Zinsen. Das hat uns dann erschlagen.

"Wir sind ja nicht bankrott."

STANDARD: Aber die Ermessensausgaben der Gemeinden, also freiwillige Leistungen, sind in den vergangenen zwei Jahren massiv gestiegen. Das haben doch Sie zu verantworten.

Koza: Stimmt, dazu stehe ich auch. Ermessensausgaben sind Leistungen für die Bürger.

STANDARD: Die man sich leisten können muss.

Koza: Ja. Wir sind ja nicht bankrott.

STANDARD: Noch nicht.

Koza: Werden wir auch nicht sein.

STANDARD: Weil die Gemeindeaufsicht Ihnen einen Sparkurs aufzwingt – mit der wenig subtilen Drohung, Vösendorf sonst unter Kuratel zu stellen.

Koza: Das ist eh lieb von ihnen, aber wir wissen schon selber, was wir jetzt zu tun haben.

STANDARD: Na ja, offensichtlich nicht.

Koza: Jetzt wissen wir's.

STANDARD: Dank der Gemeindeaufsicht.

Koza: Genau.

STANDARD: Das Land hat der Gemeinde "dringend" einen Sparkurs auferlegt. Wo sparen Sie ein – bei den hohen Kosten für Musikschule und Hort, die die Aufsicht kritisiert hat?

Koza: Sicher nicht bei den Kindern und Jugendlichen. Wir werden aufräumen müssen, und das wird für einige unangenehm. Wo wir den Sparstift ansetzen, müssen wir uns erst anschauen. Aber wir werden Vösendorf weiterhin aufblühen lassen.

Hannes Koza vor Mikrofonen und dem Vösendorfer Wappen
Am Sonntag verkündete Hannes Koza das Ergebnis der Gemeinderatswahl: eine absolute Mehrheit für seine ÖVP.
@Christian Fischer

STANDARD: Mit Ihrer absoluten Mandatsmehrheit können Sie im Gemeinderat jetzt machen, was Sie wollen. Suchen Sie sich trotzdem Partner, oder regieren Sie ganz alleine?

Koza: Ich könnte machen, was ich will, mache es aber nicht. Ich strecke meine Hand zu allen Parteien aus und möchte auf jeden Fall einen Grundkonsens mit allen haben. Auch in den letzten vier Jahren waren 90 Prozent der Gemeinderatsbeschlüsse einstimmig.

STANDARD: Aber Sie werden keine Koalition eingehen?

Koza: Nein.

STANDARD: Die ÖVP Niederösterreich hat sehr verhalten auf Ihren Wahlsieg reagiert. Warum haben Sie so ein schlechtes Verhältnis zu Ihrer Landespartei?

Koza: Ich habe kein schlechtes Verhältnis zu ihnen, aber vielleicht sie zu mir.

STANDARD: Warum?

Koza: Das müssen Sie in St. Pölten fragen.

"Ich werde mich jedenfalls aus allen Parteifunktionen außerhalb Vösendorfs zurückziehen."

STANDARD: Sie haben keine Vermutung, woran das liegt?

Koza: Ich habe zwar einen Blödsinn gemacht, aber ich bin als Sieger hervorgegangen. Entweder akzeptieren sie das oder nicht. Ich werde mich jedenfalls aus allen Parteifunktionen außerhalb Vösendorfs zurückziehen.

STANDARD: Kommt für Sie also kein Einstieg in die Landes- oder Bundespolitik infrage?

Koza: Das ist ausgeschlossen. Ich werde auch nicht bei der Nationalratswahl kandidieren, obwohl ich das vorher schon zugesagt habe.

STANDARD: Sie haben der ÖVP zugesagt, im Regionalwahlkreis zu kandidieren, und machen es jetzt doch nicht – warum?

Koza: Weil ich über die Vorgehensweise und die Rückendeckung meiner Kollegen im Bezirk noch etwas nachdenken muss.

STANDARD: Sie meinen den Mödlinger Bürgermeister? (ein parteiinterner Gegner Kozas, Anm.)

Koza: Der ist mir wurscht, ich meine generell.

STANDARD: Sie haben im Wahlkampf zu wenig Unterstützung erfahren?

Koza: Ich habe mich in den letzten Monaten ziemlich alleingelassen gefühlt von meinen Kollegen im Bezirk – während ich bisher überall und immer dabei war und andere Bürgermeister und Gemeindeparteiobleute unterstützt habe. Jetzt muss ich mir überlegen, welche Rolle ich außerhalb von Vösendorf noch spielen will. (Sebastian Fellner, 8.5.2024)