Thrillerhafte Beziehungen in Paris: Woody Allens
Thrillerhafte Beziehungen in Paris: Woody Allens "Ein Glücksfall".
Gravier Productions/Thierry Valletoux

Woody Allen machte schon vor langer Zeit deutlich, um was es ihm beim Filmemachen geht: Ablenkung vom Sterben. Seine Filme sind für den inzwischen 88-Jährigen Beschäftigungstherapie, bestenfalls noch Therapieersatz. So auch bei seinem neuesten, fünfzigsten Werk Coup de Chance – Ein Glücksfall.

Entgegen Ankündigungen rund um die Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Venedig soll es nun aber doch nicht sein letzter sein. Ein einundfünfzigstes Projekt sei bereits in Planung, diesmal wieder in Italien. Gedreht hat Allen schon öfter diesseits des Atlantiks, mit kräftiger Budgetunterstützung durch touristische Filmförderer und pittoresken Städteaufnahmen von Barcelona, Paris oder Rom. Coup de Chance wurde in Frankreich realisiert, zum ersten Mal komplett auf Französisch.

Weltkino Filmverleih

Kann das gutgehen bei einem Dialogschwergewicht wie Woody Allen? Coup de Chance ist ein gewohnt leichter Routinefilm, bei dem sich die Frage nach der Qualität schon fast erübrigt. Der Meister des Quirky-Comedy-Genres hat noch Lust am Filmemachen, er hat nur keine Lust mehr auf die Anstrengung später Meisterwerke, schon lange nicht mehr, und vielleicht hatte er die noch nie. Darin unterscheidet er sich spürbar von seinen Ü80-Kollegen Francis Ford Coppola, Martin Scorsese oder Ridley Scott, die im hohen Alter noch zu Hochform auflaufen.

Flockige Komödie

Ein Glücksfall, so der deutsche Titel, ist ein romantischer Thriller, natürlich in eine flockige Komödie verpackt. Fanny Fournier ist mit dem halbseidenen Geschäftsmann Jean verheiratet. Als sie eine Affäre mit ihrem ehemaligen Schulfreund beginnt, dem feschen Schriftsteller Alain, wird der Gatte schrecklich eifersüchtig.

Seine Schwiegermama wird ihrerseits misstrauisch, was Jean so treibt. Alles Weitere ist eine ebenso vorhersehbare wie unprätentiöse Dialogchoreografie in den Straßen, Parks, Landhäusern und Apartments in der Stadt der Liebe. Die Lust auf Paris ist dabei ungleich stärker spürbar als die Lust an filmischer Raffinesse. Wer will, kann in einigen Szenen ein wenig Ironie und Symbolik erkennen.

Woody Allen erzählt eine Kurzfilm-Idee als locker-leichtes, 93-minütiges jazziges Divertissement, also als Zeitvertreib, wie die fünfzigste Folge einer imaginären Serie. Kein großes Karrierefinale, aber ärgerlich ist hier auch nichts. Eine Botschaft hat Woody Allens Glücksfall somit doch: Anders als so mancher Mega-Blockbuster und die Arthouse-Kritik insinuieren, muss nicht immer alles besonders sein – im Kino wie im Leben. Manchmal reicht es, die Zeit bis zum Tod einfach angenehm zu verbringen. Am besten in Paris. (Marian Wilhelm, 14.4.2024)