Beschwingte Gespräche in der Führungsriege eines Filmstudios: Produzent Carl Carl (Ernest Allan Hausmann) und Managerin Ignatia Cypressenburg (Zeynep Buyraç)
Beschwingte Gespräche in der Führungsriege eines Filmstudios: Produzent Carl Carl (Ernest Allan Hausmann) und Managerin Ignatia Cypressenburg (Zeynep Buyraç).
(c) Marcella Ruiz Cruz

Bevor die Burgtheaterspielstätte im Kasino, dem ehemaligen Militärkasino im Ringpalais Erzherzog Ludwig Viktor, ab Sommer und bis Ende 2025 hinter Sanierungsplanen verschwinden wird, kostet eine Neuproduktion die weitläufige Cinemascope-Bühne noch einmal aus. Passend zum Breitwandformat des Raums ist im neuen Stück Cypressenburg der Schauplatz ein Filmstudio. Zwischen schillernden Kostümen und seltsamen Requisiten ist hier showbizmäßig alles immens aufgekratzt. Denn hier, an einer Stätte der Narration, wo Geschichten erfunden und filmisch erzählt werden, finden Auseinandersetzungen zu kultureller Aneignung und rassistischen Darstellungen statt. Dass hier Nestroys Talisman (1840) die Grundlage bildet, muss man zunächst einfach glauben.

In der Neudichtung von Golda Barton – die Autorin hat mit Sistas! (nach Tschechows Drei Schwestern) im Vorjahr Erfolge gefeiert – flackern zwar nur hie und da Nestroy-Sätze auf. Dessen Thema der Diskriminierung – im Talisman geht es um die Vorurteile gegenüber Rothaarigen – erfährt hier aber eine profunde Erweiterung. Regisseurin Isabelle Redfern und das Kollektiv MamaNoSing verwandeln den Abend in einen Diskursbahnhof.

Rothaarige, schwarze Meerjungfrau

Wer darf Dreadlocks tragen? Wer darf wen wie darstellen? Sind die Alpenbewohner dank des monströsen Zugs des karthagischen Feldherren Hannibal heute nicht auch irgendwie afrikanisch? Und soll sich ein schwarzer Schauspieler für seinen geplanten Rassismusfilm whitefacen, um sich am lange praktizierten Blackfacing (Gert Voss, Joachim Meyerhoff) ein Beispiel zu nehmen?

Derlei Fragen stellt Regisseurin Redfern zur Debatte und versucht, mittels knallbunter Klamotte dabei nicht allzu didaktisch zu wirken. Das gelingt aber nicht. Cypressenburg wird trotz grotesker Story und teils herzergreifenden Spiels ein simples Botschaftstheater. Man fühlt sich, bei allem Vergnügen, in erster Linie unterrichtet über White Supremacy und deren Auswüchse, den auf allen Ebenen grassierenden Rassismus unserer Gesellschaft.

Moses Leo Cypressenburg Burgtheater Ernest Allan Hausmann
Wie geht Weißsein? Und wie dreht man am besten einen Film über Rassismus? - Fragen, die Titus Fox (Moses Leo, li.) beschäften. Seinem Onkel Carl Carl (Ernest Allan Hausmann) ist bis auf sein Hannibal-Buch das alles eher egal.
(c) Marcella Ruiz Cruz

Die dazugehörige Story geht so: In den Cypress Studios, so heißt die Filmsociété, floppt der aktuelle, mit einer rothaarigen schwarzen Schauspielerin besetzte Meerjungfrauenfilm. Die Hauptdarstellerin Sal O’Myé vulgo Salome (Safira Robens) soll die Twitter-Massen mit einer Gegenkampagne beschwichtigen: schnell für Instagram posen mit einem rothaarigen, aber weißen Typen. Dieser heißt, frei nach Nestroy, Titus Fox (Moses Leo) und ist gar nicht weiß, sondern "whitefaced" und der Neffe des Produzenten CC (anspielend auf das Theaterimperium des Nestroy-Zeitgenossen Carl Carl), gespielt von Ernest Allan Hausmann. Quietschvergnügt segelt dieser auf dem Skateboard zwischen Palmeninsel und einem wuscheligen Verschwindibus-Rondell (Bühne: Lani Tran-Duc) hin und her.

Rassistische Muster

Titus wiederum will einen Film über Rassismus drehen, aber nur mit Weißen (deshalb Whitefacing), was der exaltierten Managerin Ignatia von Cypressenburg (Zeynep Buyraç) nicht gewinnbringend erscheint. Im Hintergrund agiert das Cypressenburger Filmorchester in Gestalt einer Pianistin (Ming), die sich immer wieder aus dem Kostümfundus für "Asian Characters" bedient. Die Inszenierung stellt diverse rassistische Muster aus und übersteigert sie ins Absurde.

Tanz- und Gesangseinlagen ersetzen die Couplets, besonders lustig ist Moses Leos Performance als weißer Mann, durch den siebten Bezirk flanierend. Insgesamt aber bleiben hier die notwendigen Mitteilungen aus den Erkenntnissen der Critical-Whiteness- und Postcolonial-Studies-Forschung wie eine monströse Fracht hingekippt. (Margarete Affenzeller, 14.4.2024)