Der Elvis Act schützt Musikerinnen und Musiker vor Schindluder, das Künstliche Intelligenz mit ihrer Stimme, ihrem Gesicht oder ihrem Körper treiben könnte.
Der Elvis Act schützt Musikerinnen und Musiker vor Schindluder, das Künstliche Intelligenz mit ihrer Stimme, ihrem Gesicht oder ihrem Körper treiben könnte.
imago/UIG

Bei der Wortkreation "Ensuring Likeness Voice and Image Security“ schläft selbst Native Speakern das Gesicht ein. Eingedampft und abgekürzt wird aus dem verbalen Sperrholz der sogenannte Elvis Act — und da war ja doch etwas. Stimmt, Elvis Presley. Der ist mittlerweile länger tot, als er gelebt hat, goldene Eier legt er nach wie vor.

Das soll selbst in Zeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) so bleiben, dafür haben die Rechteinhaber des Elvis-Katalogs nun Vorsorge getroffen. Und was für Elvis gilt, soll für alle anderen Musiker und Musikerinnen ebenfalls gelten. Der in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee präsentierte Elvis Act schiebt artifiziellem Schindluder mit Presley einen Riegel vor. Das vor zwei Wochen beschlossene Gesetz schützt "das Urheberrecht auf die Einzigartigkeit der eigenen Stimme, des Gesichts und des Körpers". Das ist neu.

Wie sehr Musikerinnen und Musiker ihr Handwerk durch den Einsatz von KI bedroht sehen, verdeutlicht ein gerade verfasster offener Brief der Organisation Artist Rights Alliance (ARA). Der Brief ist an digitale Musikdienste und Technologieunternehmen adressiert. Er fordert Schutz vor dem "Einsatz von KI zum Diebstahl der Stimmen und des Bildes professioneller Künstler, vor Verletzung der Rechte von Urhebern und der Zerstörung des Musik-Ökosystems", das durch die geringen Tantiemen, die Streamingplattformen ausschütten, ohnehin bedroht ist.

Eigene Totengräber

Unterschrieben wurde der Brief von über 200 Acts wie Pearl Jam, Billie Eilish, Robert Smith von The Cure, Norah Jones oder Elvis Costello. Sie fürchten, KI habe das Potenzial, sie zu ersetzen – und das womöglich mit einer Kopie ihrer eigenen Stimme. Man wäre also sein eigener Totengräber.

Die deutsche Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) hat zu der Entwicklung hinsichtlich KI in dem Bereich auf ihrer Homepage eine von ihr in Auftrag gegeben Studie veröffentlicht. Demnach soll der Einsatz von KI bei der Produktion von Musik in den kommenden fünf Jahren einen Umsatzverlust von 2,7 Milliarden Euro ergeben.

Für die Studie wurden 15.000 Musik­schaffende befragt. 71 Prozent davon sehen ihre wirtschaftliche Grundlage durch KI bedroht. Gleichzeitig gab rund ein Drittel der Befragten an, dass sie in ihrer Arbeit selbst KI heranziehen – bei Musikerinnen und Musikern unter 35 Jahren beträgt der Anteil sogar 50 Prozent. Vor allem beim Texten und Komponieren kommt KI in irgendeiner Form zum Einsatz.

Das bestätigt Thomas Böhm vom Verband der Österreichischen Musikwirtschaft, dem Ifpi. "In der Musikbranche wird schon lange mit KI gearbeitet. Etwa in der Produktion mit digitaler Studiotechnik, Beat Libraries und Synthesizern oder im Vertrieb mit Empfehlungssystemen. Außerdem können Künstlerinnen und Künstler mithilfe von KI ihre kreativen Visionen noch besser umsetzen." Abzulehnen sei, wenn sich Technologieunternehmen, ohne zu fragen, an Inhalten bedienen, die andere produziert und kreiert haben, und diese zum Anlernen von KI verwenden. Die EU hat da im Vorjahr mit ihrem Artificial Intelligence Act (AIA) einen staatenübergreifenden Rechtsrahmen geschaffen, der international Vorbildwirkung hat.

Richtige Balance finden

Im AIA nicht enthalten ist aber das Persönlichkeitsrecht auf die eigene Stimme, das Gesicht, den Körper. Denn es ist heute mit KI möglich, auf Basis weniger aufgezeichneter Wörter Stimmen nachzuahmen, die nicht vom Original unterschieden werden können. Der Elvis Act beachtet dieses Klonen von Stimmen (Voice Cloning). Er schützt die menschliche Stimme als zutiefst persönliches "Musikinstrument" und stellt klar, dass es weder technischen Entwicklern noch irgendwelchen Anbietern erlaubt ist, populäre Stimmen zu klonen, bloß weil das technisch möglich ist.

Welche Gefahren diesen Möglichkeiten in anderen Bereichen wie der Politik und hinsichtlich der Verbreitung von Fake News innewohnen, frage nicht. Unklar ist hingegen, wie das im Elvis Act festgeschriebene Recht am Ende durchgesetzt werden soll. Die Beweiserbringung darf da nicht bei den Künstlern liegen.

Thomas Böhm vom Ifpi sagt: "Es geht um die richtige Balance zwischen technologischer Innovation und dem urheberrechtlichen Schutz von Inhalten." Klar ist, dass KI eine Realität ist, die bleibt. Je besser definiert ihr erlaubter Einsatz im Gesetz ist, desto weniger Missbrauch wird damit betrieben werden können.

Kontrolliert ergibt der Einsatz von KI durchaus Sinn. Man denke nur an den im Vorjahr erschienen Beatles-Song Now and Then. Ursprünglich bloß eine unfertige Demoaufnahme, ergab sie unter Zuhilfenahme einer an John Lennon geschulten KI einen neues Beatles-Song. Da gibt's dann doch wieder blödere Dinge auf der Welt. (Karl Fluch, 13.4.2024)