Eine Frau im Retro-Look hält lächelnd einen Stabmixer
Werden Hausfrauen bald zu "Domestic Engineers"? Im Dschungel solch neuer Jobtitel-Kreationen kann man auch schnell den Überblick verlieren.
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Die Gewerbesparte in der Wirtschaftskammer will mit neuen (noch nicht konkret festgelegten) Meistertiteln Lehrberufe aufwerten, die keine Meisterprüfung vorsehen. Das Motiv: Imagezugewinn, ein Signal der Augenhöhe an die Academia.

Höheren Status zu signalisieren ist ein verständliches Anliegen. In einem Land mit laut Statistik Austria über 1500 Wortlauten von Titeln könnte das bei über 220 Lehrberufen aber wohl nebst Vertrauenszugewinn in Bezug auf das Können des Faches auch zu Verwirrung beitragen. Fix ist hier noch nichts, es müsste dafür die Gewerbeordnung aufgemacht werden. Wenn überhaupt, dann wird das wohl erst ein Werk für künftige Regierungen.

Größer und bedeutender

Neu ist das Ansinnen, durch neue oder sehr gerne verenglischte Titel etwas Besseres zu signalisieren als gemeinhin zugedeutet, nicht. Der Personalbereich ist dafür ein gutes Beispiel: Vom Personalmanager über Human Resources bis jetzt meist "People & Culture" haben sich Jobtitel hier transformiert.

Der Nachhall aus dem Silicon Valley und seiner Start-up-Kultur hat auch eine Menge neuer Jobtitel eingeschwemmt, etwa den Chief Evangelist, die Chief Storytellers. Sie sind so etwas wie gehobene Kommunikationschefs, ein Hybrid aus Arbeitgeberwerbung und Investorenanlocker. Chiefs of Sustainabilty sind als Beruf und als Jobtitel relativ neu – der Tätigkeitsbereich erschließt sich allerdings schnell und logisch. Wässriger wird es bei Chief Happiness oder Chief Well-being Officers, beides Signale einer Unternehmenskultur, die das Wohlbefinden der Belegschaft im Fokus hat.

Attraktion und Grenzen

Welcome Manager gibt es wirklich – mancherorts heißen sie noch Rezeptionistin oder Rezeptionist. Hier beginnt die Grenze zum Skurrilen. Fensterputzer werden dann in der Bezeichnung zu Vision Clearance Technicians, Tankwarte zu Petroleum Transfer Engineers, Hausfrauen zu Domestic Engineers.

Mit diesen Neubezeichnungen werden Jobportale hierzulande zwar noch nicht geflutet, Visitenkarten noch nicht gedruckt. Wer aber über die Richtung der künftigen beruflichen Tätigkeit nachdenkt und Jobportale durchsurft, um ins Universum der Möglichkeiten einzutauchen, landet dennoch in einem Dschungel. Dieser erstreckt sich vom simplen Referenten (m/w/d) bis zum Engagement Manager (m/w/d). Ob solche Keywords Unternehmen helfen, von Arbeitswilligen auf Social Media gefunden zu werden?

Um sich in diesem Dschungel zu orientieren, braucht es schon eine gute Portion Vorwissen und Geschick. Oder man kommt direkt und nur aus dem jeweiligen engen Fachbereich, dann geht es auch halbwegs.

So wird etwa die Tätigkeit des Engagement Manager bei einer der weltweit größten Beratungsfirmen so schmackhaft gemacht: "Dein Fokus liegt auf der Durchführung strategischer Projekte in einem unserer drei Strategiebereiche Corporate & Growth Strategy, Turnaround & Restructuring Strategy, Transaction Strategy & Execution." Wissen Studierende der Wirtschaftswissenschaften, was sie da erwartet? Ist es wohldurchdacht, etwa "International Tax Transfer Pricing" als so benannte Stelle auszuschreiben?

Klar, hier geht es nicht um spezifische fachliche Tätigkeiten, die sich auf Tiktok schnell vortanzen lassen. Ein Praktikum in einer Bank in der Abteilung Strukturierte Produkte wird wohl auch keinem angehenden Lehrling auffallen, der sich für Kfz interessiert. Muss es ja auch nicht, aber sollen wirklich ausschließlich Insider angesprochen werden?

Dings, hä?

Recruitingabteilungen müssen sich die Frage gefallen lassen, ob in der Zielgruppe schnell zu verstehen ist, was überhaupt geboten wird. Und weiters, ob die Zielgruppe nicht doch viel zu eng gefasst ist mit dem Wording der Ausschreibung.

Wenn tausende Jobposts in den Portalen hocken und auf Bewerbungen warten und gleichzeig viele Tausend Junge arbeitslos sind, dann drängt sich die Vermutung auf, dass eine unselige Mischung aus Gründen dafür verantwortlich ist: Firmen rümpfen ihre Nasen über Bewerber und wollen fixfertige Superspezialisten, Kandidatinnen und Kandidaten wollen dort oder so nicht arbeiten. Die angesteuerte Zielgruppe wird nicht erreicht oder ist mit vielen Ausschlusskriterien ausgestattet. Oder es gibt die Menschen nicht oder nicht mehr, die das können, was benötigt wird.

Einen Grund sollten Unternehmen allerdings guten Gewissens ausschließen können, nämlich dass nicht verstanden wird, was der Job genau sein soll und was er verlangt. Besser klingt jedenfalls, abseits vom Pimpen durch das Englische, was sofort verstanden wird oder neugierig macht. Alt, aber gut dazu das Sprichwort: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. (Karin Bauer, 20.3.2024)